Konflikte... ein (un)mögliches Ende

Konflikte, u.a. in einer Beziehung, entstehen aufgrund unterschiedlicher Meinungen, Erwartungen, Einstellungen, Bedürfnisse... die Liste ist lang. Konflikte entstehen aufgrund Verschiedenheit, Individualität.
Aber es gibt auch die sogenannten intrapersonalen Konflikte, die sich in der Psyche eines Menschen abspielen, zum Beispiel Zweifel oder Gewissensbisse.
Das Wort ,,Konflikt" stammt von dem lateinischen Begriff "conflictus" und bedeutet Aneinanderschlagen, Zusammenstoßen, im weiteren Sinne auch Kampf, Streit. Konflikte stören das "normale" Leben und halten von einem gewohnten Handlungsablauf ab. Konflikte haben die Tendenz zu eskalieren, weiten sich in der Regel aus und nehmen an Intensität zu.

Ich bezeichne mich als "konflikt-unfähig". Oh ja, ich kann deutlich eine Sachlage erläutern, barsch einen Fakt vertreten, vielleicht sogar meine Meinung zu allgemeinen Themen äußern. Aber in zwischenmenschlichen Situationen, und Emotionen betreffend, hört es auf.
Konflikte, äußerlich wie innerlich, stören die Harmonie... und ich bin harmoniesüchtig. Sie stören das Gleichgewicht, schaffen Unruhe, sie beeinflussen alles negativ, was mir wichtig ist, was ich für meine psychische Stabilität benötige.
Ich gehe in der Regel zwischenmenschlichen Konflikten aus dem Weg, trete zurück, behalte meine Bedürfnisse für mich. Ich gehe sogar noch weiter, indem ich möglichen Konflikten vorbeuge, durch mein Verhalten: ich tue, wovon ich denke, dass mein Gegenüber es von mir erwartet, womit ich einem potentiellen Konfliktherd zuvorkomme, ihn ausmerze.
Auch in mir gehe ich ähnlich vor. Feste Wertmaßstäbe und Grundsatzfloskeln, nur mich betreffend, radieren innerliche Konflikte aus. Sorgt ein zwischenmenschlicher Konflikt aber für einen innerlichen, passe ich mich an, setze eine Maske auf und werde jemand anderes, schwammig und unstet.

Nur selten trete ich in Konflikt. Wird ein Fakt, eine unumstößliche Tatsache außer Acht gelassen, oder ich fühle mich extrem ungerecht behandelt, dann kann auch ich aus der Haut fahren. Mir geht es dabei nicht um Recht haben oder behalten. Das ist mir sowas von egal! Mir ist deutlich bewusst, dass ich nicht immer im Recht sein kann. Aber was feststeht, steht fest. Es ist ein Zwang, ein automatischer Impuls, ein unwiderstehlicher Druck, die Situation klar- oder richtigzustellen. Mein Magen zieht sich zusammen, ich bekomme Atemnot, meine Muskeln verkrampfen sich, meine Ohren rauschen, das Herz schlägt schneller, Schwitzen. Ich kann nicht aufhören, bis die Symptome nachlassen. Was folgt kommt einem Zusammenbruch gleich, unmittelbar nach dem Ausbruch, egal wie intensiv dieser war. Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Schwächegefühl, Schwindel, extreme Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle, Schuld- und Schamgefühle, Selbsterniedrigung, bis hin zum Zweifel an einer Lebensberechtigung - ich hasse mich dann.
Die Zeit nach so einem Konfliktausbruch ist geprägt von totaler Selbstaufgabe. Ich traue mir nicht mehr, da ich selbst die Harmonie zerstört habe, die ich so dringend brauche. Ich ertrage die vermehrten Schuld- und Schamgefühle, weil ich mein Gegenüber durch mein Verhalten verletzt oder bedrängt habe, nicht. Ich tue alles, um diese nicht zu spüren, und, vor allem, keine erneute Situation heraufzubeschwören. ICH ist unwichtig, denn geht es meinem Gegenüber gut, geht es mir gut - scheinbar... Also treten meine Bedürfnisse ganz in den Hintergrund, ich weigere mich, sie zu spüren.

Gestern war so ein Tag. Ich werde nicht auf Gründe, Inhalte, Schuldfrage eingehen, nur darauf, was es mit mir gemacht hat.
Wegen einer blöden Lappalie, wie es ja meistens ist, fühlte ich mich ungerecht behandelt. Ich fühlte mich nicht ernstgenommen und wurde mit einem alten Thema konfrontiert, einem Vorwurf, der aus meiner Kindheit/Jugend wiederhallte. Leider gab es in der letzten Woche einige Situationen, die mir nicht gefielen. Aber ich habe sie nicht angesprochen, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Doch plötzlich waren auch diese wieder da und haben ihren Beitrag geleistet... und alles brach geballt aus mir heraus. Wieder konnte ich nicht aufhören, wieder war ich in dem Zwangverhalten "Richtigstellen um jeden Preis".
Ich verwende keine Schimpfworte, Gewalt oder deren Androhung, aber ich werde laut und harsch. Selbst in solch einer Situation bemühe ich mich, sachlich zu bleiben, den Faden nicht zu verlieren. Das gelingt mir natürlich nicht, wodurch es schlimmer wird. Ein paar Emotionen würden auch nicht schaden, dann würde mir vielleicht der Gesichtsausdrucks meiner Liebsten auffallen, den ich hinterher nicht mehr aus meinem Kopf kriege...
Meine Liebste ist aus der Situation gegangen, was ich nicht geschafft habe. Im Gegenteil, ich bin ihr hinterher gegangen. Und dann kam der Zusammenbruch, auf beiden Seiten...

Jetzt sitzen wir hier, mit unseren Gefühlen. Irgendwie schwebt was in der Luft. Keiner traut sich. Wir haben beide Probleme mit dem Selbstwert, weshalb wir wohl beide an uns selbst zweifeln.

Eine Lösung wäre eine angemessene Kommunikation. Rechtzeitig, respekt- und liebevoll auf Missstimmigkeiten hinweisen, ansprechen, wenn etwas nicht gefällt oder Grenzen überschreitet. Wir sind sehr kommunikativ, unser Umgang ist respekt- und liebevoll, wir reden viel, erkundigen uns über das Befinden, sind beide rücksichtsvoll und mitfühlend. Aber Missstimmigkeiten, Missfallen oder Grenzen ansprechen, da haben wir Defizite. Diese führen zu einem Aufstauen, einem Brodeln. Die kleinste Situation kann dann zu einem Vulkanausbruch werden, während dem beide ungerecht alles Passierte auf die Waagschale legen - es eskaliert.

Um bei mir zu bleiben: Ich denke, der Zwang ist eine Traumafolgestörung, der Drang, mich gegen die damals dauerhafte Missachtung meiner Bedürfnisse und Wünsche, meiner Person, gegen das vorgefertigte wertlose Bild, welches meine Bezugspersonen von mir malten, zu wehren. Aber auch die Unfähigkeit, meine Emotionen zu erkennen und in die richtigen Bahnen zu lenken, trägt dazu bei, auch mein zu sachliches Denken. Ich hoffe sehr, die künftige Traumatherapie gibt mir Hilfsmittel an die Hand... denn ich ertrage es nicht, meine Liebste leiden zu sehen...

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