Wachtsamotionen... (m)ein Ausflug in die Emotions-Welt

Urlaub - idealerweise eine Zeit der Entspannung, der Ruhe und Gelassenheit, eine Möglichkeit zum Herunterfahren, zum In-sich-gehen, Nachdenken, Krafttanken, Zu-SICH-finden, zum Neustarten. Frei von jedem "Muss", habe ich diesen Urlaub genau dafür genutzt - für mein Projekt der achtsamen Emotions-Wahrnehmung: die Wachtsamotionen...

In meiner Kindheit wurden meine Emotionen nie ernstgenommen. Ich wurde missachtet, erniedrigt, verhöhnt, sogar beschimpft und bestraft, weil ich fühlte. Es war nicht wichtig, was ich empfand. Ich "musste" meine Gefühle unterdrücken, um mich zu schützen. An anderer Stelle hab ich bereits beschrieben, dass sich deshalb mein Handeln immer nach anderen richtete. Einzig Fremdwahrnehmung bestimmte mein Leben. Dadurch hatten mein Umfeld, deren "gesellschaftliche Normen" und daraus resultierende Zwänge und Ängste, einen erheblichen Einfluss auf mein Gefühlsleben. Weinen, Wut und andere Gefühlsausbrüche wurden nicht geduldet und schwer geahndet.
Aufgrund einer neurologischen Wahrnehmungsstörung, einem Phänomen, welches äußere Reize, unter anderem das Schmerzempfinden, als auch innere Emotionen hemmt, fiel mir das Fühlen ohnehin nicht leicht. So habe ich total verlernt, zu fühlen, meine Empfindungen zu beachten.

Vor ungefähr fünfzehn Jahren entsprang in mir ein Funke, es regte sich etwas in mir, ein Wunsch nach mehr. Ich war damals am Tiefpunkt meines Lebens, alkohol- und drogenabhängig, ohne Wohnung, ohne Arbeit, alleine, einsam, Freunde und Familie mieden mich. So konnte es nicht weiter gehen! Ich war niedergeschlagen, antriebslos, zutiefst depressiv, am Ende meiner Kräfte. So wollte ich nicht weiter leben!
Der Funke schwelte, der Wunsch gährte. Was dann geschah, habe ich bereits in anderen Beiträgen beschrieben, ein Ab und Auf, ein Her und Hin, ein Zurück und Vor.

In den letzten neun Monaten verfestigte sich der Wunsch massiv, brannte der Funke zu einem Feuer in mir - wie in einer Schwangerschaft, und es ist Zeit für die Geburt, die Wehen setzen ein. Ich will wissen, was in mir geschieht und was es jeweils ist, was es, für mich noch unbeschreiblich, auslöst. Ich will fühlen, MICH fühlen! Ich will das ganze Spektrum. Ich will weinen, lachen, Freude spüren, Trauer, Wut, Geborgenheit, und all die anderen Emotionen. Ich will frei sein, von Zweifeln, von Zwängen, von Angst, von selbst auferlegten Einschränkungen. Ich will endlich ICH sein!

Achtsamkeits- und Wahrnehmungsübungen, positive Psychologie, Erfahrungsaustausch, das Zurechtrücken meiner Sichtweisen von Seiten lieber Menschen - all das ebnete mir den Weg zu meinem Projekt der "Wachtsamotionen"...

Zuerst habe ich versucht, meine Gefühle anhand der Definitionen zu erkennen, und ich kenne alle bis ins Detail. Das funktionierte aber nicht, da ich keine inneren Vergleichswerte hatte. Ich wusste ja nicht, welches Empfinden zu welchem Gefühl gehört. Also zäumte ich das Pferd von hinten auf.
Im Urlaub, in unserem Paradies, im Garten hatte ich Zeit und Ruhe, mitten in der Natur, die idealen Bedingungen für mein Projekt. 
Ich beginne mit einer Atem- und Achtsamkeitsübung, nehme meinen Körper und meine Umgebung wahr. Ich achte auf äußere Reize von Fuß bis Kopf, schließe die Augen, lausche den Geräuschen, beschreibe sie. Ich öffne die Augen und betrachte meine Umgebung, wähle einen Punkt und beschreibe ihn. Die Wahrnehmung ist nun an einem Hochpunkt, ich bin offen. Da es sich um sehr schöne Wahrnehmungen handelt, wie das Rauschen des Windes, das Wiegen der Bäume, das Zwitschern und Fliegen der Vögel, die Sonne, die alles in schönen Farben leuchten lässt, fällt die Übung erstmal leicht. Ich betrachte und beschreibe mir die körperlichen Reaktionen auf die Wahrnehmung, das Kribbeln auf der Haut und im Nacken, das Wohlgefühl im Bauchraum, den Zwang zu lächeln. Dann lenke ich die Wahrnehmung nach innen, in die Seele, und tauche in die Empfindungen ein. Jetzt habe ich einen inneren Vergleichswert, gleiche diesen mit den Definitionen ab. Und da ist das Gefühl: Glück, Freude. So fühlt sich also Glück an! Wow! Ich tauche tiefer und erkenne mehr: Ehrfurcht, Sehnsucht, Zufriedenheit.
Nach mehreren erfolgreichen "Testläufen" fühle ich mich bereit, weitere Emotionen in Angriff zu nehmen. Sobald ich spüre, dass sich etwas in mir regt, geh ich in die achtsame Wahrnehmung, betrachte und beschreibe die Situation, welche die Regung verursacht hat, dann die körperlichen Reaktionen. Ich lenke die Wahrnehmung nach innen und beschreibe mir die Empfindungen, dann folgt der Definitions-Abgleich. So kam ich bereits an einige Emotionen ran, wie Traurigkeit, Ärger, Wut, Verzweiflung, Eifersucht, Geborgenheit, Gelassenheit, Unbeschwertheit und Zufriedenheit - ich bin tatsächlich zufrieden mit mir!

Es mag sich lesen, wie ein Arbeitsgang, ein längerer Vorgang, aber tatsächlich handelt es sich nur um Sekunden, maximal ein bis zwei Minuten. Ok, die Analyse des Gefühlszustandes, die Gefühlskette und was es mit mir macht, dauert länger. Es ist noch neu, ungewohnt, aber, hey, ICH fühle...

Es ist auch nicht so, dass ich vorher garnichts gefühlt habe. Liebe, Zuneigung, Ekel, Scham, Schuld und dergleichen waren und sind mir mehr als bekannt, besonders die beide letzten. Ich konnte die anderen Gefühle nicht deuten oder habe ihre "Rechtmäßigkeit" bezweifelt. Ich habe sie ignoriert und weggedrückt, bis sie scheinbar nicht mehr existierten, sich wandelten zu Schuld, Scham und Selbsthass, vertraute Gefühle.

Ich bin nicht mehr bereit, dem immer gleichen Schema von Selbsterniedrigung zu folgen. Ich will mich spüren, will fühlen, wer ich bin, was ich bin. Und es gelingt mir. ICH bin! Durch die Wachtsamotionen...

Mein Leben hat sich in der letzten Zeit massiv verändert. Durch die Emotionen sehe ich mit einem anderen Blick, da meine Sichtweise eine andere ist. Mein Verhalten ist anders geworden, ich empfinde und genieße. Kontakte sind intensiver, die Beziehung inniger. Dankbarkeit erfüllt mich. Auch deshalb möchte ich meiner Liebsten besonders danken, denn sie erträgt mich, unterstützt mich, weist mich hin und liebt mich immer noch...
Bald geht nun die Traumatherapie los, die ich vorbereitet und gestärkt durchziehen kann...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Schuldgefühle... eine Aufarbeitung

"Fehler" - meine GuteGedankenDosis

Sorge... mein (Un)Ruhestifter